Als Leopold aufwachte war es 6:13.

Als Leopold aufwachte war es dunkel.
Das war ungewöhnlich, denn üblicherweise wachte er erst auf, wenn die Sonne hoch am Himmel stand und durch sein Fenster schien. Während er einen misstrauischen Blick auf die Leuchtziffern des großen mechanischen Weckers warf - er zeigte 6:13 - dachte er, dass es auch Blödsinn wäre, wenn man erst um fünf Uhr ins Bett ginge, um bereits um sechs Uhr wieder aufzustehen. Zumindest hatte ihn der Wecker nicht geweckt - wie auch, Leopold hatte ja bereits vor Jahren in einem Wutanfall die großen Glocken des Weckers mit der Flex bearbeitet.
Und irgendwie fühlte er sich gerade auch wieder unruhig, vielleicht wütend, aber vor allem seltsam leer, so dass es ihm schwer fiel, tatsächlich wütend zu sein.
Mit einem entschlossenen Schwung setzte er seine nackten Füße aus seinem Bett und trat in etwas seltsam warmes, saftiges, das leicht pulsierte. Während er zum Lichtschalter ging, stolperte er beinahe in einer Verschlingung dieser eigentümlichen, glitschigen Masse.
Das Licht, von einer einzelnen, kahlen Neonröhre hervorgebracht, warf seinen fahl-kalten Schein auf ein glänzendes Band, das mehrfach verschlungen im Zimmer lag, auf der einen Seite durch die angelehnte Tür im Flur verschwand und auf der anderen Seite aus Leopolds geöffneter Bauchdecke hing.
Jemand hatte ihm wohl, kaum dass er eingeschlafen war, mit einem zarten Schnitt den Bauch geöffnet und in einem spontanen Anfall von Kreativität Leopolds Darm durchs Haus gezogen.
Während er überlegte, was zu tun war, trottete er zum Fernseher, wobei er nachlässig seinen Darm hinterherzog. Auch wenn er nicht auf Frühstück eingestellt war (normalerweise war seine erste Mahlzeit am Tag ein Burger beim Mac gegenüber, so gegen 14 Uhr), fand er noch ein kaltes, leicht staubiges Stück Pizza zwischen den Sofakissen, und machte sich daran dieses zu verspeißen. Fasziniert beobachtete er, wie es, kaum verschlungen, schon durch den freiliegenden, beinahe durchsichtigen Darm und dessen Peristaltik im Flur verschwand, nicht ohne sich dabei in einer kleinen Schleife deutlich auf dessen Oberfläche abzuzeichnen.
Zufrieden fühlte er, wie das Stück Pizza sich am Darmausgang ordnungsgemäß aufstaute - gut dass er noch Kontrolle darüber hatte, denn er wusste ja nicht, wo dieser sich befand - und überlegte, dass wohl jemand einen Bypass durch seinen Magen gelegt haben musste, dass es so schnell ging.
Zufrieden grunzte er ein bisschen herum und machte sich dann auf nach seinem Darmausgang zu sehen. Er folgte den Verschlingungen durch den Flur und stellte schließlich zufrieden fest, dass das Ende seines Darmes im Flur aus dem kleinen Fensterchen hing, unter dem sich der Balkon der verhassten Familie ein Stockwerk tiefer befand.
Wunderbar, dachte Leopold und bequemte sich auf das Sofa zurück, so muss ich schon nicht mehr ständig auf Toilette. Wenn ihm jetzt noch jemand die Speißeröhre in den Kühlschrank legen könnte, wäre er restlos glücklich...

-

Albern? Nunja, die letzten drei Absätze sagen mir noch nicht so zu. Aber ich hoffe doch der vorherige Teil entwickelt in seiner Absurdität eine gewisse Faszination. Zumindest vielleicht auf Menschen, die auch einen seltsamen Humor haben.
Aber all das, das fiel mir eben so zufällig ein. Und verrückt genug, um kreativ zu sein, ist es wohl...

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